Scheinselbständigkeit: Sozialbetrug im großen Stil

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Ein Whistleblower brachte unlängst Ermittlungen gegen den Kölner Stadtanzeiger und das Boulevard-Blatt Express, die beide zum DuMont-Verlag gehören, ins Rollen. Der Vorwurf: Der Verlag habe absichtlich und im großen Stil Mitarbeiter zu rechtlich falschen Konditionen als so genannte Scheinselbstständige beschäftigt. Systematisch seien Sozialversicherungsbeiträge vorenthalten worden. Scheinselbständigkeit – ein gerne angewendetes Mittel, um in wirtschaftlich schlechten Zeiten auf Kosten der Steuerzahler Geld zu sparen.

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Jeder Dritte von Scheinselbstständigkeit betroffen

Es handelt sich bei DuMont keineswegs um einen Einzelfall. Es werden immer mehr Fälle bekannt, in denen wegen der Beschäftigung scheinselbstständiger Mitarbeiter Sozialabgaben und Steuern nachgezahlt werden müssen. Dieser Gefahr sieht sich wohl auch der Springer-Verlag ausgesetzt, der verlauten ließ, es sei nicht auszuschließen „dass in Redaktionen der Axel-Springer-Gesellschaften branchentypisch eingesetzte freie Mitarbeiter in der Vergangenheit arbeitsrechtlich nicht richtig eingeordnet wurden.“

Laut der Studie „Scheinselbständigkeit bei Journalisten in NRW“ der TU Dortmund wird etwa jeder Dritte der befragten freien Mitarbeiter als „scheinselbständig“ eingestuft.

Freischaffende Künstler und Publizisten: Künstlersozialkasse springt ein

Bei Zeitungen übernehmen beispielsweise sogenannte „Pauschalisten“ die gleichen Aufgaben wie festangestellte Mitarbeiter, also etwa schreiben und recherchieren, redigieren von Fremdtexten, die Betreuung von Praktikanten und das Planen und Bestücken der Seiten. Sie haben wie die anderen Arbeitnehmer einen festen Arbeitsplatz in der Redaktion und nehmen an Redaktionssitzungen teil. Dennoch muss der Verlag für sie keine Sozialversicherungsbeiträge abführen – der Auftraggeber profitiert von dem Arrangement. Die von der Scheinselbständigkeit Betroffenen selbst haben dadurch zunächst keinen finanziellen Nachteil. Wie ist das möglich? Indem die Verlage mithilfe eines Tricks staatliche Subventionen ergattern; sie verlassen sich darauf, dass hier die Künstlersozialkasse (KSK) einspringt.

Diese übernimmt für freischaffende Künstler und Publizisten den Arbeitgeberanteil der Sozialversicherungsbeiträge. Zwar wird die KSK zum Teil über pauschale Abgaben von den Verlagen und anderen sogenannten „Vermarktern“, also Unternehmen, die die Ergebnisse künstlerischer Arbeit wirtschaftlich nutzen, mitfinanziert. Über diese Künstlersozialabgabe werden 30% der KSK finanziert. 20% der KSK werden jedoch über Bundesmittel finanziert.

Betriebsprüfungen – Nachzahlungen drohen!

Um diesem Sozialbetrug entgegenzuwirken, werden in jüngster Zeit vermehrt Kontrollen beim Arbeitgeber durchgeführt. Scheinselbstständigkeit wird als ein Verstoß gegen das Gesetz (§ 266 a StGB), also als Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt, verfolgt. Folgende Behörden haben ein Interesse daran, Scheinselbständigkeit aufzuspüren:

  • die Deutsche Rentenversicherung, wenn ihr Sozialversicherungsbeiträge vorenthalten wurden
  • das Finanzamt, wenn ihm Steuern (Lohn- und Umsatzsteuer) vorenthalten wurden
  • der Zoll, wenn Schwarzarbeit vorliegt oder keine Arbeitserlaubnis erteilt ist.

Wird bei einer Betriebsprüfung eine abhängige Beschäftigung festgestellt, drohen Nachzahlungen – der Arbeitnehmer muss in diesem Fall seine Sozialabgaben für maximal 3 Monate nachzahlen. Die Ansprüche an den Arbeitgeber verjähren dabei erst nach 4 Jahren.

Betroffene freie Mitarbeiter wie z.B. auch Beschäftigte der Film- und Fernsehbranche, Honorarärzte,  Bauarbeiter und Kurierfahrer sowie Pflegekräfte wie Krankenschwestern und Altenpfleger, sollten sich also lieber freiwillig an die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung wenden. Dort wird auf Antrag noch vor Aufnahme der Beschäftigung geprüft, ob es sich bei der Tätigkeit der Arbeitnehmer um eine abhängige Beschäftigung handelt oder nicht.

Checkliste: Kriterien für Scheinselbständigkeit:

Scheinselbständigkeit liegt vor, wenn die angeblich Selbständigen in betriebliche Abläufe des Arbeitgebers eingebunden sind wie die anderen Arbeitnehmer.

Auch feste Arbeitszeiten und Weisungsgebundenheit des Auftragsgebers hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Arbeit sind wichtige Indizien für Scheinselbständigkeit. Weitere Kriterien für Scheinselbständigkeit sind die Folgenden:

  • Ausübung der Tätigkeit gleichbleibend an einem bestimmten Ort
  • Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers
  • Feste Bezüge
  • Persönliche Abhängigkeit
  • Überstundenvergütung
  • Fehlendes Unternehmerrisiko und Unternehmerinitiative
  • Fehlender Kapitaleinsatz
  • Keine Pflicht zur Beschaffung von Arbeitsmitteln
  • Notwendigkeit der engen ständigen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern

Gerade in Zeiten, in denen es immer mehr „Wissensarbeiter“ gibt, die auf keinen festen Arbeitsort angewiesen sind und in virtuellen Arbeitswelten ihre Leistungen per Smartphone und Laptop von jedem Ort aus für verschiedene Auftraggeber online erbringen können, ist es wichtig, zwischen wirklichem Freiberuflertum und Scheinselbstständigkeit unterscheiden zu können. Nur so kann Sozialbetrug und das zunehmende Auseinanderdriften von Rechtssicherheit und Praxis gestoppt werden.

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Autor:in Stefan Maron
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