Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) befinden sich seit Jahren im Prozess der digitalen Transformation. Die Effektivität dieses Prozesses gilt heute als Schlüssel zum unternehmerischen Erfolg. ERP-Systeme für den Mittelstand bündeln und zentralisieren Daten aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen. Daher kommt ihnen bei der Digitalisierung und Automatisierung der Geschäftsprozesse eine entscheidende Rolle zu.
- Brauchen mittelständische Betriebe ein ERP-System?
- Was sind die wichtigsten ERP-Module für den Mittelstand?
- Weitere ERP-Module
- Welche Vorteile bietet ein ERP-System dem Mittelstand?
- Cloud oder On-Premises?
- Branchenlösung oder nicht?
- ERP als Open Source?
- ERP-Systeme und KI
- Was sollten Mittelständler bei der ERP-Auswahl beachten?
Brauchen mittelständische Betriebe ein ERP-System?
Reichten für mittelständische Unternehmen vor ein paar Jahrzehnten isolierte Einzellösungen wie etwa eine Buchhaltungssoftware aus, sind ERP-Systeme heute unerlässlich. Die Haupttreiber für diesen Wandel sind die zunehmende Digitalisierung und steigende Prozesskomplexität, die integrierte Lösungen erfordern. “Intergriert” meint hier die Zusammenführung aller Unternehmensbereiche und ihrer Geschäftsprozesse in einem System, was zu einer konsolidierten, unternehmensweiten Datenbasis führt.
“Ein Enterprise-Resource-Planning-System oder kurz ERP-System dient der funktionsbereichsübergreifenden Unterstützung sämtlicher in einem Unternehmen ablaufenden Geschäftsprozesse.” (Gabler Wirtschaftslexikon)

Eine gutes Enterprise-Resource-Planning-System (kurz ERP-System) automatisiert manuelle Tätigkeiten und ermöglicht datenbasierte Entscheidungen. Ein ERP-System ist inzwischen keine Luxuslösung mehr für große internationale Konzerne. Es ist heute vielmehr eine notwendige Investition, die die Wettbewerbsfähigkeit und die Zukunft eines Unternehmens sichert.
“ERP-Systeme bilden in den IT-Architekturen von Unternehmen eine Rückgratfunktion und stellen das eigentliche Herzstück der IT-Landschaft dar. Sie eignen sich zum Planen und Steuern von Geschäftsprozessen.” (Fachzeitschrift ERP-Management)
Was sind die wichtigsten ERP-Module für den Mittelstand?
Moderne ERP-Systeme sind in der Regel modular aufgebaut. Dabei bietet jedes Modul die nötige Funktionalität für die spezifischen Anforderungen in einem bestimmten Fachbereich. Welche Module einer ERP-Software für den Mittelstand am wichtigsten sind, hängt von den spezifischen Anforderungen und der Branche des Unternehmens ab. Generell gibt es jedoch einige Kernmodule, die für die meisten mittelständischen Unternehmen essenziell sind:
Vertrieb und Kundenmanagement
Mit diesem Modul können Unternehmen Ihre Vertriebs- und Marketingaktivitäten umfassend planen, durchführen, analysieren und verwalten. Es ist ein wichtiges Instrument zur Neukundengewinnung, aber auch zur Bestandskundenpflege.
Finanzmanagement (Finanzbuchhaltung und Controlling)
Das Finanzmanagement ist das Herzstück einer effektiven Finanzprozesssteuerung und unverzichtbar für die Erfolgskontrolle eines Unternehmens. Dieses Modul verfügt über Funktionen, die alle finanzrelevanten Daten zentral erfassen; es schließt sowohl die Kostenkontrolle als auch die Buchhaltung ein.
Personalmanagement (HR-Management)
Mit dem Modul Personal können Sie die Verwaltung von persönlichen Daten und mitarbeiterbezogenen Prozessen in Ihrem Unternehmen gestalten und optimieren. Die unterstützten Aufgaben umfassen sowohl die Gehaltsabrechnung als auch das HR-Management – angefangen beim Miterbeiterfindung bis zur Weiterbildung.
Einkauf und Beschaffung
Dieses Modul optimiert die Beschaffungsprozesse im Unternehmen. Dazu zählen etwa die Bestellabwicklung, Lieferantenverwaltung, Kostenkontrolle und Rechnungsverarbeitung. So können Sie Ihre Lieferkette optimieren und den gesamten Einkaufsprozess transparent gestalten.
Dokumentenmanagement
Das ERP-Modul Dokumentenmanagement (DMS) ermöglicht eine effiziente und effektive Verwaltung geschäftlicher Dokumente. Dies beschleunigt Informationsflüsse im Unternehmen, gewährleistet eine revisionssichere Archivierung und baut Aktenberge ab. So wird der Weg zum papierlosen Büro konkret.
Weitere ERP-Module
Abhängig davon, ob das Unternehmen ein Produktions-, Handels- oder Dienstleistungsunternehmen ist, bieten sich noch weitere Module an:
Produktionsplanung und -steuerung (PPS)
Für produzierende Unternehmen ist dieses Modul zentral, um die Fertigung zu planen, Ressourcen effizient einzusetzen und Produktionsprozesse zu optimieren.
Warenwirtschaft/Materialwirtschaft (Wawi/Mawi)
Für Unternehmen, die Waren produzieren, lagern oder handeln, ist eine effiziente Material- und Lagerverwaltung unverzichtbar. Es sichert eine stabile Lieferkette und reduziert unnötige Lagerkosten.
Projektmanagement
Dienstleistungsunternehmen bietet dieses Modul Unterstützung bei der Projektplanung, Ressourcenverwaltung und Budgetüberwachung. Dienstleister können so ihre Projekte besser organisieren, termingerecht umsetzen und gleichzeitig die Kosten im Blick behalten.
Übersicht: Die wichtigsten ERP-Module für den Mittelstand
ERP-Modul Funktionen Vertrieb und Marketing Verwaltung der Kundeninformationen
Leadmanagement und Neukundengewinnung
Durchführung von Marketingkampagnen
Optimierung von Verkaufsprozessen
BestandskundenpflegeFinanzmanagement Buchhaltung
Kostenkontrolle
Budgetierung
BerichterstattungPersonalwesen Mitarbeiterdatenverwaltung
Zeiterfassung
Urlaubsplanung
Recruiting
PersonalentwicklungEinkauf und Beschaffung Bedarfsplanung
Lieferantenauswahl
Bestellung und Auftragsabwicklung
WareneingangskontrolleDokumentenmanagementsystem (DMS) Speicherung und Verwaltung von Dokumenten
Compliance
Versionskontrolle
Volltextsuche
Weitere branchenzogene Module
Produktionsplanung und -steuerung (PPS) Fertigungsplanung
Produktionsaufträge
Stücklistenverwaltung
KapazitätsplanungWarenwirtschaft/Materialwirtschaft (Wawi/Mawi) Bestandsmanagement
Lagerverwaltung
Warenauswertung und -reportingProjektmanagement Projektplanung
Kollaboration
Ressourcenverwaltung
Budgetüberwachung
Projektzeiterfassung
Projektcontrolling
Welche Vorteile bietet ein ERP-System dem Mittelstand?
Mittelständische Unternehmen können mithilfe moderner ERP-Systeme mehrere Vorteile realisieren, die sich positiv auf ihre Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit auswirken.

Im Folgenden die wichtigsten Vorteile im Überblick:
- Kostenkontrolle: ERP-Systeme automatisieren Prozesse, wodurch der Anteil von manuellen Aufgaben im Unternehmen stark sinkt. Dies führt zu Effizienzsteigerungen und Zeiteinsparungen.
- Transparenz: Die Zentralisierung der Unternehmensdaten ermöglicht eine einheitliche unternehmensweite Sicht auf Geschäftsprozesse und Ressourcen.
- Ortsunabhängiges Arbeiten: Insbesondere SaaS-basierte ERP-Systeme ermöglichen ein mobiles und flexibles Arbeiten. Mitarbeiter benötigen lediglich einen Computer mit einem aktuellen Browser und einen Internetzugang, um auf Unternehmensdaten zuzugreifen.
- Skalierbare Prozesse: Ein gutes ERP-System passt sich an die Unternehmensentwicklung reibungslos an. Es ermöglicht die Verwaltung von steigenden Datenmengen, Mitarbeiterzahlen und aufwendigen Geschäftsprozessen ohne Leistungseinbußen.
- Prozessintegration: Eine Zentralisierung und umfassende Automatisierung unterstützt Firmen bei einer abteilungsübergreifenden Integration von Workflows und Prozessen.
- Schnelle Reaktionszeiten und verbesserter Kundenservice: Zentrale Echtzeitdaten ermöglichen eine individuelle Kundenansprache und optimieren die Customer Journey sowie das Beschwerdemanagement.
- Optimierte Projektsteuerung: Alle Informationen werden an einem Ort gebündelt. Dadurch wird ein 360-Grad-Rundumblick gewährleistet.
Cloud oder On-Premises?
On-Premises bezeichnet einen Softwarebetrieb, bei dem Unternehmen ihre eigenen Server und Rechenzentren nutzen.
Im Gegensatz dazu ist ein Cloud-ERP eine Software-as-a-Service (SaaS)-Lösung, bei der der Anbieter den Betrieb, die Wartung und die Updates übernimmt. Falls Ihre Anforderungen an die Unternehmensprozesse so spezifisch sind, dass ein Cloud-ERP nicht mehr ausreicht, könnte eine On-Premise ERP-Lösung eine Alternative darstellen.
Cloud-Lösungen sind für Unternehmen insbesondere dann interessant, wenn
- Sie über ein überschaubares Investitionsbudget verfügen.
- Mobiles Arbeiten hoch im Kurs steht.
- Sie keinen Aufwand in Update- und Wartungsarbeiten investieren möchten.
- Sie auf planbare Kosten Wert legen.
On-Premises Systeme eignen sich hingegen, wenn:
- umfangreiche Anpassungsmöglichkeiten an der Software erforderlich sind.
- Datenhoheit und -schutz in der Eigenverantwortung liegen sollen.
- das Unternehmen eine Einmalzahlung bevorzugt
Übersicht: Cloud ERP vs. On-Premises ERP
Cloud ERP On-Premises ERP Wartung & Updates Vom Anbieter durchgeführt Durchführung liegt in der Verantwortung des Unternehmens Investitionen in die Infrastruktur Gering Hoch Skalierbarkeit Hoch Abhängig von der vorhandenen Infrastruktur und anderen Ressourcen Softwarelizenz Abonnementbasiert (oft monatliches Bezahlmodell) Einmaliger Erwerb Kontrolle Gering bis mittel (abhängig vom Anbieter) Hoch Datensicherheit und -schutz Fortschrittliche Sicherheitstechnologien und -standards
Verantwortung wird zwischen Anbieter und Nutzer geteiltDirekte Kontrollmöglichkeiten Implementierungszeit Relativ gering Relativ hoch
Branchenlösung oder nicht?
Die Entscheidung zwischen einer allgemeinen und branchenspezifischen ERP-Lösung kann für Unternehmen schnell zu einer Herausforderung werden. Branchenspezifische Lösungen bieten eine maßgeschneiderte Funktionalität, die auf bestimmte Branchen zugeschnitten ist. Allgemeine ERP-Lösungen als Standardsoftware punkten hingegen mit einer breiteren Anwendbarkeit.
Einige Vorteile von branchenspezifischen ERP-Systemen sind:
- Ein abgestimmter Funktionsumfang und tiefere Funktionsabdeckung: Somit können Sie individuelle Anforderungen besser berücksichtigen.
- Der Einbezug von branchenspezifischen Best Practices
- Eine potenziell bessere Integration mit anderen branchenspezifischen Lösungen.
Standard-ERP-Lösungen haben ebenfalls Stärken:
- Benutzerfreundlichere Bedienung, die durch das Feedback einer breiteren Nutzerbasis und oft größere verfügbare Ressourcen ermöglicht wird.
- Höhere Flexibilität und bessere Skalierbarkeit
- Größere Anzahl von Anbietern im Markt und dadurch mehr Auswahlmöglichkeiten
- Geringere Kosten
- Höhere Weiterentwicklungsgeschwindigkeit: Hersteller von allgemeinen ERP-Systemen integrieren Innovationen oft schneller als branchenspezifische, weil sie einem höheren Wettbewerbsdruck ausgesetzt sind.
Die Entscheidung zwischen Standardsoftware oder branchenspezifischen ERP-System wird in vielen Fällen von den Branchenanforderungen und der Prozesskomplexität abhängen. Eine gründliche Anforderungsanalyse kann helfen, eine ERP-Software zu wählen, die Funktionalität und Anpassungsfähigkeit optimal ausbalanciert.
ERP als Open Source?
Die Debatte, ob Open Source oder proprietäre Lösungen sich mehr lohnen, wird seit Jahren geführt. Für die Verwendung von Open Source ERP-Systemen sprechen einige Gründe:
- Es fallen keine Lizenzgebühren an.
- Es besteht keine Abhängigkeit von externen Anbietern
- Der Quellcode ist öffentlich zugänglich und kann beliebig modifiziert werden.
Auf der anderen Seite haben Open Source ERP-Systeme auch erhebliche Nachteile:
- Nicht sofort erkennbare Kostenpunkte: Die ERP-Software muss angepasst und implementiert werden. Dazu kommen Schulungen des Personals und Support-Services. Das alles kann bereits höhere Kosten verursachen.
- Keine oder stark eingeschränkte Haftungsansprüche
- Oft höhere Einarbeitungs- und Schulungsaufwände. Open Souce-Lösungen sind häufig nicht im gleichen Maße benutzerfreundlich und den Endnutzern vertraut wie kommerzielle Lösungen. Hinzu kommt, dass ihre Dokumentation vergleichsweise weniger umfassend und benutzerfreundlich ist.
- Fehlende Entwicklungsplanung und keine klare Roadmap: Open Source ERP-Projekte garantieren oft keine langfristige Entwicklungsplanung. Sollte die Aktivität der Community nachlassen, die in die Planung und die Entwicklung der ERP-Software involviert ist, läuft das Projekt häufig nur auf Sparflamme weiter oder es wird ganz eingestellt.
Zusammenfassend kann man festhalten, dass Open Source ERP-Software für die Unternehmen infrage kommen kann, die die Herausforderungen kennen und Ressourcen haben, um diese zu bewältigen. Andernfalls sollten Sie kommerzielle ERP-Lösungen in Betracht ziehen.
ERP-Systeme und KI
Das Thema Künstliche Intelligenz (KI) ist momentan nicht nur in aller Munde, sondern findet zunehmend auch Einsatz in ERP-Systemen – zum Beispiel in Form von KI-Assistenten. Dabei handelt sich hierbei um selbstständig agierende Softwareeinheiten, die unstrukturierte Daten auslesen und verstehen sowie selbstständig Entscheidungen treffen können. Ihre Stärken liegen unter anderem in der Automatisierung von Aufgaben und einer Individualisierung der Kundenkommunikation. Unternehmensmitarbeiter können an solche KI-Agenten Anfragen in natürlicher Sprache stellen, wie beispielsweise “Zeige mir unsere Produkte mit dem höchsten Umsatz im letzten Quartal”.
KI-Agenten und -Assistenten werden gerade von mehreren ERP-Herstellern entwickelt, eingeführt und laufend optimiert. Ein Beispiel ist hier der SAP KI-Assistent “Joule”. Auch der Cloud-ERP-Anbieter Scopevisio plant die Einführung eines KI-Chatbots namens “EnterpriseGPT”.
Wenn Sie ein ERP-System auswählen, sollten Sie auf die GenAI-Lösungen und KI-Agenten achten, die der ERP-Hersteller anbietet oder plant. Denn diese Lösungen haben das Potenzial, sich in naher Zukunft zum wesentlichen Wettbewerbsfaktor zu entwickeln.
Was sollten Mittelständler bei der ERP-Auswahl beachten?
Am Ende des Artikels noch einige weitere Punkte, die Sie bei der Auswahl eines geeigneten ERP-Systems berücksichtigen sollten:
- Kosten: Bewerten Sie die Kosten für Ihre ERP-Software primär im Verhältnis zum langfristigen Nutzen, nicht nur anhand der reinen Anschaffungskosten.
- Flexibilität und Zukunftsfähigkeit: In einer dynamischen Unternehmenswelt spielen schnelle geschäftliche Reaktionen eine Schlüsselrolle. Stellen Sie daher sicher, dass Ihre ERP-Lösung auf einer zukunftssicheren Plattform aufbaut.
- Leistungsfähigkeit: Achten Sie bei der Auswahl eines ERP-Systems, dass die Software auch steigende Datenvolumina sicher handhaben kann und reibungslos arbeitet.
- Integrationsfähigkeit: Das ERP-System sollte sowohl mit bestehenden als auch mit zukünftigen Softwarelösungen und Digitalisierungsprojekten im Unternehmen möglichst gut integrierbar und kompatibel sein.
Tipps zur Einführung eines ERP-Systems erhalten Sie in einem separaten Blogartikel.
