Die ERP-System Auswahl ist für viele mittelständische Unternehmen in Deutschland ein entscheidender Schritt bei der Digitalisierung. Doch wie findet man die richtige Lösung bei der Vielzahl an ERP-Systemen? Dieser Artikel zeigt, welche 5 Schlüsselfragen Sie Ihrem zukünftigen Anbieter stellen sollten – damit Sie langfristig von Ihrer Investition profitieren.

Auf dem deutschen Markt werden mehrere Hundert ERP-Systeme angeboten – manche Fachportale sprechen gar von über 1.000. Da fällt die ERP-Auswahl nicht leicht. Üblicherweise werden ERP-Systeme (Enterprise Resource Planning Systeme) deshalb im Rahmen eines ERP-Projektes durch einen systematischen und mehrstufigen Vergleich recherchiert und bewertet.
Ziel sollte es sein, eine ERP-Lösung auszuwählen, die sowohl die aktuellen als auch zukünftigen Anforderungen des Unternehmens bestmöglich abdeckt.
Diese fünf Fragen bieten Ihnen Orientierung im Auswahlprozess.
5 wichtige Fragen bei der Auswahl eines ERP-Systems

1) Deckt das ERP-System alle relevanten Prozesse in meinem Unternehmen ab?
Prüfen Sie, ob das System alle geschäftskritischen Abläufe Ihres Unternehmens unterstützt.
Warum das wichtig ist:
Wenn ein ERP nicht alle Kernprozesse abbildet, entstehen Ineffizienzen, Risiken und zusätzliche Kosten. Ein ganzheitliches System, das „out of the box“ funktioniert und bei Bedarf skalierbar ist, hilft, Systembrüche zu vermeiden.
- Durchgängige Automatisierung
Sind alle relevanten Prozesse abgedeckt, lassen sich Workflows automatisieren. Das spart Zeit, senkt Personalkosten und minimiert menschliche Fehler. - Zentrale und konsistente Datenbasis
Wenn alle relevanten Vorgänge zentral erfasst werden, entstehen konsistente und vollständige Daten, die bessere Auswertungen ermöglichen. - Zukunftssicherheit
Ein passgenaues ERP-System verhindert kostspielige Anpassungen oder Systemwechsel und sorgt dafür, dass Ihr Unternehmen langfristig effizient arbeitet.
2) Wie sieht die Integration mit bestehenden und künftigen Sytemen aus?
Fragen Sie den ERP-Anbieter nach Schnittstellen zu Drittsystemen.
Warum das wichtig ist:
Ein ERP-System ist die Steuerungszentrale und Datendrehscheibe im Unternehmen. Speziallösungen oder Branchenanwendungen, die das Unternehmen zusätzlich in Einsatz hat, sollten nahtlos an das ERP-System angebunden werden. Schnittstellen (APIs – Application Programming Interfaces) ermöglichen den nahtlosen und automatisierten Datenaustausch zwischen verschiedenen Anwendungen.
- Automatisierter Datenaustausch
Der automatisierte Datenaustausch macht manuelle Dateneingaben überflüssig und beschleunigt den Informationsfluss. - Fehlerreduktion und Datenqualität
Durch automatisierte Prozesse und Synchronisierungen verringern sich Übertragungsfehler, sodass Daten genauer und konsistenter vorliegen. - Effizienzsteigerung und Prozessautomatisierung
API-Schnittstellen ermöglichen es, viele Geschäftsprozesse zu automatisieren, was Ressourcen spart und Arbeitsabläufe beschleunigt. - Ganzheitlicher Überblick und bessere Entscheidungen
Durch die Integration verschiedener Datenquellen erhalten Unternehmen einen aktuellen Überblick und können fundierter entscheiden. - Flexibilität und Skalierbarkeit
Mit APIs können Unternehmen neue Anwendungen einfach anbinden, ohne das gesamte System neu aufsetzen zu müssen. Ein ERP-System mit API-Schnittstelle ist deshalb zu empfehlen.
Besonders flexibel und skalierbar sind sogenannte REST-APIs (Representational State Transfer Application Programming Interfaces). Diese Programmierschnittstellen ermöglichen es, Daten und Funktionen zwischen verschiedenen Softwareanwendungen standardisiert auszutauschen – meist über das HTTP-Protokoll.
3) Wie benutzerfreundlich ist das ERP-System?
Prüfen Sie, ob die Bedienoberfläche intuitiv gestaltet und die Navigation einfach ist. Dashboards, Menüs und Berichte sollten anpassbar sein.
Warum das wichtig ist:
Selbst das beste ERP-System scheitert an der Akzeptanz der Nutzer. Gerade bei komplexen ERP-Systemen ist die Benutzerfreundlichkeit entscheidend, damit das System sein volles Potenzial entfalten kann und nicht nur teilweise oder gar nicht genutzt wird.
- Höhere Produktivität und Effizienz
Durch eine einfache und selbsterklärende Benutzeroberfläche können Mitarbeiter ihre Aufgaben schneller und mit weniger Fehlern erledigen - Reduzierte Einarbeitungszeit und geringerer Schulungsaufwand
Eine gute Usability erlaubt es den Mitarbeitern, sich schneller in System zurechtzufinden, wodurch weniger Zeit und Kosten für Schulungen anfallen. - Flexibler Zugriff und mobile Nutzung
Der Zugriff von überall erleichtert die Arbeit und sorgt dafür, dass Geschäftsprozesse jederzeit weiterlaufen. ERP-Systeme sollten heutzutage ganz oder in Teilen auch auf mobilen Geräten wie Smartphones oder Tablets genutzt werden können – etwa über eine ergänzende App oder eine responsive Weboberfläche.

Weil Cloud-ERP-Systeme oft webbasiert sind, lassen sie sich meist ohne Installation über jeden modernen Browser auf Smartphone, Tablet oder Laptop nutzen. Viele Anbieter bieten zusätzlich mobile Apps für iOS und Android an, mit denen bestimmte ERP-Funktionen (z. B. Zeiterfassung, Kontaktverwatlung) mobil erreichbar sind. Nicht alle Cloud-ERP-Systeme bieten den gleichen mobilen Funktionsumfang. Bei manchen Systemen sind bestimmte Prozesse nur am Desktop vollständig nutzbar. Daher lohnt es sich, beim Anbieter gezielt nachzufragen.
4) Wie transparent und planbar sind die ERP-Kosten?
Überprüfen Sie das Preismodell des ERP-Anbieters auf Transparenz und ermitteln Sie Ihre ERP-Kosten als Gesamtbetriebskosten (Total Cost of Ownership, TCO – Kosten für Lizenzen, Wartung, Updates, Hosting und Consulting).
Warum das wichtig ist:
Die tatsächlichen ERP-Kosten liegen meist deutlich über den reinen Anschaffungs- oder Lizenzkosten und werden oft unterschätzt.
Nur wenn Sie alle Kostenbestandteile erfassen und transparent machen, können Sie verschiedene ERP-Lösungen (insbesondere Cloud- und On-Premises-Lösungen) realistisch miteinander vergleichen.
- Lizenzen
Lizenzkosten hängen oft vom Funktionsumfang und Anzahl der Nutzer ab. Bei On-Premise-Lösungen werden meist einmalige Lizenzgebühren fällig, bei Cloud-Lösungen laufende Abonnementgebühren, die zum Teil Wartung und Updates abdecken. - Hosting
On-Premise-Lösungen benötigen meist eigene Server-Infrastruktur (mit entsprechenden Hardware- und Betriebskosten), während bei Cloud-ERP-Lösungen Hosting-Gebühren bereits im Abo enthalten sind. - Wartung
Wartungsgebühren werden meist jährlich fällig und liegen marktüblich zwischen 1–1,8 % der Lizenzkosten. Diese sichern Funktionserhalt, Fehlerbehebung und technischen Support ab. Bei Cloud-Lösungen ist die Wartung i.d.R. inklusive. - Updates
Bei On-Premise-Lösungen verursachen größere Updates oft zusätzliche Kosten. Bei Cloud-Systemen sind Updates i. d. R. in den laufenden Gebühren enthalten. - Onboarding und Support
Kosten für Einführungsberatung und Anpassung der Software (Customizing) können hoch sein, wenn spezielle Anforderungen existieren. Kosten für die fortlaufende Kundenbetreuung müssen ebenfalls berücksichtigt werden.
Tipp: Manche Anbieter locken mit einem günstigen Basissystem, das aber wichtige Funktionen (z. B. Projektmanagement, Buchhaltung, CRM) nur gegen Aufpreis liefert. So steigen die Gesamtkosten erheblich.
5.) Wie skalierbar und zukunftssicher ist die ERP-Lösung?
Prüfen Sie, wie das System mit Ihrem Unternehmen mitwachsen kann und ob neue Module/Funktionen unkompliziert ergänzt werden können.
Warum das wichtig ist:
Je besser skalierbar und flexibler die ausgewählte ERP-Lösung ist, desto besser kann Ihr Unternehmen künftig mit wachsenden und sich wandelnden Anforderungen umgehen.
- Unternehmenswachstum
Ein skalierbares ERP-System ermöglicht es, neue Nutzer, Funktionen oder Standorte problemlos zu integrieren. - Flexibilität
Skalierbare ERP-Systeme erlauben die schnelle Anpassung an neue Marktanforderungen, rechtliche Vorschriften oder interne Veränderungen. - Kostenkontrolle
Sie können klein starten und das System schrittweise erweitern. Das hält die Anfangsinvestitionen niedrig und Sie zahlen nur für Ressourcen, die Sie tatsächlich benötigen. - Technologische Zukunftssicherheit
Zukunftssichere Lösungen gewährleisten, dass das ERP-System regelmäßig mit neuen Technologien, Updates und Funktionen Schritt hält.
Ein wichtiger Trend auf dem Markt ist laut Statista die zunehmende Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellem Lernen in ERP-Software.
„Die Zukunft von ERP-Systemen liegt in der intelligenten Automatisierung: KI ist der der Schlüssel, um ERP-Systeme von reinen Datenspeichern zu dynamischen, lernenden Plattformen weiterzuentwickeln. Sie werden künftig noch präzisere Analysen ermöglichen und damit die Basis für noch schnellere, datengetriebene Entscheidungen im gesamten Unternehmen schaffen.“
Dr. Jörg Haas, Gründer und CEO Scopevisio AG
Auswahl ERP-System: das Fazit
Die Auswahl einer geeigneten ERP-Software ist für mittelständische Unternehmen eine strategisch wichtige, aber auch herausfordernde Aufgabe – insbesondere angesichts der Vielzahl an verfügbaren Lösungen auf dem Markt. Um fundierte Entscheidungen zu treffen, ist es unerlässlich, im Vorfeld die richtigen Fragen zu stellen.
Besonders wichtig sind dabei Aspekte wie Funktionalität, Integrationsfähigkeit, Gesamtkosten, Benutzerfreundlichkeit sowie Skalierbarkeit des Systems. Diese Kriterien helfen nicht nur dabei, geeignete Anbieter zu identifizieren, sondern sichern auch die langfristige Nutzbarkeit und Wirtschaftlichkeit der ERP-Lösung.
Ganz nebenbei hat der intensive Kontakt zu den Anbietern im Entscheidungsprozess auch noch einen weiteren Vorteil: Sie lernen die ERP-Hersteller kennen und erfahren, wie er auf kritische Fragen reagiert. Denn gerade im Hinblick auf die langfristige Zusammenarbeit gilt: Nicht nur das System muss stimmen, sondern auch die Chemie.