Viele Dienstleistungsunternehmen zögern beim ERP-Wechsel. Sie fürchten Ausfallzeiten, Datenverlust oder steigende Projektkosten, weil ihre alten Systeme komplex geworden und wichtige Zusammenhänge nicht mehr eindeutig nachvollziehbar sind. Doch Stillstand erhöht langfristig die Risiken. Mit einer klar strukturierten ERP-Migration behalten Sie die Kontrolle, vermeiden Überraschungen und schaffen eine stabile Basis für moderne, integrierte Prozesse.
Wann ein ERP-Wechsel unvermeidbar wird
Laut der Trovarit-Studie „ERP in der Praxis 2024/2025“ liegt Durchschnittsalter von ERP-Systemen bei etwa 13 Jahren. Gerade viele mittelständische Unternehmen arbeiten mit veralteten Lösungen, die kaum noch mit den aktuellen Anforderungen Schritt halten können. Spätestens wenn Prozesse ins Stocken geraten oder wichtige Schnittstellen fehlen, stellt sich die Frage nach einem Systemwechsel.
Warnsignale in der bestehenden Systemlandschaft für einen ERP-Wechsel
Folgende Anzeichen deuten darauf hin, dass Sie eine ERP-Umstellung notwendig ist:

Was steckt im Detail dahinter?
- Veraltete Technologie: Ein System, das moderne digitale Geschäftsmodelle und mobilen Zugriff nicht unterstützt, ist nicht mehr zeitgemäß.
- Fehlende rechtliche Sicherheit: Wenn das ERP-System Compliance-Anforderungen wie DSGVO oder GoBD nicht mehr erfüllt, entstehen rechtliche Risiken.
- Geschäftsprozesse können nicht (mehr) abgebildet werden: Unternehmensprozesse können nicht vollständig oder effizient im ERP abgebildet werden, was häufig zu Workarounds führt.
- Insellösungen und Excel als Hauptwerkzeug: Wenn verschiedene Systeme nebeneinander laufen und Excel oft für Datenzusammenführung genutzt wird, führt das zu Fehlern und Ineffizienz.
- Hohe Wartungs- und Betriebskosten: Steigende Kosten und komplexe Bedienung sprechen gegen ein weiterhin eingesetztes altes System.
- Mangelnde Flexibilität und schlechte Integrationen: Das System passt sich nicht an neue Anforderungen an und andere Systeme lassen sich schlecht anbinden.
- Negatives Mitarbeiterfeedback: Nutzer meiden das ERP wegen schlechter Bedienbarkeit, was die Arbeitsmotivation und Effizienz mindert.
- Fehlende Transparenz und Schwierigkeiten bei Entscheidungen: Wenn das ERP keine umfassende und aktuelle Datenübersicht liefert, leiden Planung und Steuerung.
Grenzen von Legacy-Systemen
Veraltete ERP-Software ist teurer als viele Unternehmen vermuten. Laut VDMA geben Unternehmen 70 Prozent ihres IT-Budgets allein für die Wartung bestehender Systeme aus – Geld, das für Innovation fehlt. Besonders kritisch: Über Jahre gewachsene On-Premise-Lösungen und Inselsysteme binden nicht nur Budgets, sondern auch wertvolle Personalressourcen. Ihre Mitarbeiter verbringen Zeit mit manuellen Workarounds, Datenabgleichen zwischen verschiedenen Systemen und der Fehlersuche statt mit wertschöpfenden Tätigkeiten.
Die Folgen sind messbar: Langsame Systemantworten summieren sich zu erheblichen Produktivitätsverlusten im Tagesgeschäft. Fehlende Schnittstellen führen zu Medienbrüchen und Dateninkonsistenzen, die falsche Entscheidungsgrundlagen schaffen. Moderne Anforderungen wie mobile Zugriffe, Echtzeit-Auswertungen oder automatisierte Workflows lassen sich nicht mehr abbilden.
Das Ergebnis: sinkende Kundenzufriedenheit durch längere Reaktionszeiten, frustrierte Mitarbeiter und ein schleichender Verlust an Wettbewerbsfähigkeit, der die Zukunftsfähigkeit Ihres Unternehmens gefährdet.
Warum Modernisierung weniger Risiko birgt als Stillstand
Die Angst vor einem ERP-Wechsel ist nachvollziehbar – doch der Status quo ist noch riskanter. Studien zeigen, dass Unternehmen mit veralteten Systemen ein dreimal höheres Risiko für sicherheitsrelevante Vorfälle haben als Unternehmen mit aktueller Software. Der Grund: Hersteller stellen den Support für alte Versionen ein, Sicherheitslücken werden nicht mehr geschlossen und die Integration moderner Sicherheitsstandards ist technisch nicht mehr möglich.
Hinzu kommen steigende Wartungskosten und kritische Abhängigkeiten von wenigen Spezialisten, die Ihre individuell angepassten Altsysteme noch verstehen. Wenn diese das Unternehmen verlassen, geht wertvolles Wissen verloren. Gleichzeitig blockieren veraltete Systeme die Handlungsfähigkeit des gesamten Unternehmens: Neue Geschäftsmodelle, automatisierte Prozesse oder die Anbindung moderner Tools scheitern an technischen Grenzen.
Eine zeitgemäße ERP-Lösung bietet dagegen standardisierte Prozesse, automatische Updates, Cloud-Skalierbarkeit und offene Schnittstellen. So wird die Migration vom vermeintlichen Risiko zur strategischen Investition in Stabilität, Sicherheit und Wachstum.
ERP-Migration richtig planen: Die 6 Schritte im Überblick
Ein ERP-Wechsel ist eine strategische Entscheidung, die Ihr Unternehmen nachhaltig prägt. Damit die Migration gelingt und Sie von Anfang an von den neuen Möglichkeiten profitieren, braucht es eine strukturierte Vorgehensweise.
Wir haben Max Adolphs vom Cloud-ERP-Anbieter Scopevisio gefragt, welches die wichtigsten sieben Schritte bei der ERP-Migration sind. Hier seine Ratschläge, basierend auf acht Jahren Erfahrung aus zahlreichen ERP-Implementierungen.
Bestandsaufnahme und klare Zielsetzung festlegen
Bevor Sie mit der eigentlichen Migration beginnen, sollten Sie Ihre aktuelle Situation genau analysieren. Welche Prozesse laufen bereits gut, wo gibt es Engpässe? Dokumentieren Sie bestehende Workflows, Schnittstellen und Datenstrukturen.
Definieren Sie anschließend konkrete Ziele für das neue System: Möchten Sie die Durchlaufzeiten verkürzen, die Transparenz erhöhen oder mobile Zugriffe ermöglichen? Je präziser Sie Ihre Anforderungen formulieren, desto besser können Sie später den Projekterfolg messen. Binden Sie dabei alle relevanten Abteilungen ein – von der Buchhaltung über den Vertrieb bis zur Geschäftsführung.
Datenbereinigung als Basis für verlässliche Prozesse
Ihre Daten sind das Herzstück des neuen ERP-Systems. Nutzen Sie den Wechsel als Chance für einen gründlichen Frühjahrsputz: Entfernen Sie Dubletten, korrigieren Sie fehlerhafte Einträge und archivieren Sie veraltete Informationen.
Eine saubere Datenbasis spart nicht nur Speicherplatz, sondern verhindert auch, dass sich Fehler ins neue System übertragen. Legen Sie klare Kriterien fest, welche Daten migriert werden und welche nicht mehr benötigt werden. Planen Sie ausreichend Zeit für diesen Schritt ein – eine gründliche Datenbereinigung zahlt sich langfristig durch bessere Auswertungen und zuverlässigere Prozesse aus.
Systemdesign, Schnittstellen und Verantwortlichkeiten definieren
Jetzt geht es ans Eingemachte: Wie soll Ihr neues ERP-System konkret aussehen? Definieren Sie die Systemarchitektur, legen Sie Benutzerrollen und Zugriffsrechte fest und klären Sie, welche Schnittstellen zu anderen Anwendungen benötigt werden.
Besonders wichtig ist die Anbindung an bestehende Tools wie CRM-Systeme oder Controlling-Software wie Microsoft Power BI. Ein detailliertes Konzept verhindert spätere Missverständnisse und sorgt dafür, dass alle Beteiligten am gleichen Strang ziehen.
Test- und Pilotphase für sichere Ergebnisse
Bevor das neue System unternehmensweit ausgerollt wird, sollten Sie es ausgiebig testen. Richten Sie eine Testumgebung ein, in der Sie alle wichtigen Prozesse durchspielen können – von der Angebotserstellung über die Auftragsabwicklung bis zur Rechnungsstellung. Starten Sie anschließend mit einer Pilotphase in einer ausgewählten Abteilung oder einem Teilbereich. So können Sie unter realen Bedingungen prüfen, ob alles wie geplant funktioniert, und erhalten wertvolles Feedback von den Anwendern.
Schulung und Change Management
Die beste Software nützt nichts, wenn Ihre Mitarbeiter nicht damit arbeiten können oder wollen. Investieren Sie deshalb frühzeitig in umfassende Schulungen, die auf die verschiedenen Nutzergruppen zugeschnitten sind. Erklären Sie nicht nur die technische Bedienung, sondern auch den Nutzen der neuen Lösung für den Arbeitsalltag.
Change Management ist dabei mindestens genauso wichtig wie die technische Umsetzung: Kommunizieren Sie offen über Veränderungen, nehmen Sie Bedenken ernst und binden Sie Ihre Teams aktiv in den Prozess ein. Benennen Sie Key-User, die als Multiplikatoren fungieren und ihren Kollegen bei Fragen zur Seite stehen.
Go-Live planen und stabilisieren
Wählen Sie einen Zeitpunkt, der für Ihr Geschäft günstig ist, idealerweise außerhalb von Hochphasen. Erstellen Sie einen detaillierten Ablaufplan mit klaren Meilensteinen und Notfallszenarien.
Stellen Sie sicher, dass in den ersten Tagen nach dem Start ausreichend Support verfügbar ist, um auf Probleme schnell reagieren zu können. Planen Sie eine Stabilisierungsphase ein, in der Sie das System beobachten, Kinderkrankheiten beheben und Prozesse optimieren. Holen Sie regelmäßig Feedback von den Nutzern ein und bleiben Sie flexibel für Anpassungen.
Hier noch einmal alle Schritte zusammengefasst:

Risiken beim Wechsel des ERP-Systems reduzieren
Ein ERP-Wechsel birgt Herausforderungen, doch die meisten Probleme lassen sich durch vorausschauende Planung vermeiden. Entscheidend ist, typische Risiken bei der ERP-Einführung frühzeitig zu erkennen und gezielt gegenzusteuern. Die folgenden Tabelle zeigen Ihnen, worauf Sie achten sollten und wie Sie die häufigsten Stolpersteine elegant umgehen.
| Stolperstein | Gegenmaßnahme |
|---|---|
| Unklare Anforderungsdefinition | Detailliertes ERP-Lastenheft erstellen, alle Fachabteilungen einbinden, Anforderungen priorisieren und schriftlich fixieren |
| Schlechte Datenqualität | Frühzeitige Datenbereinigung, Dubletten entfernen, Validierungsregeln definieren, Testmigrationen durchführen |
| Unterschätzte Projektkomplexität | Realistische Zeitpläne mit 30-50% Puffer, externe Expertise hinzuziehen, Projekt in überschaubare Phasen gliedern |
| Mangelnde Einbindung der Fachabteilungen | Key-User aus allen Bereichen benennen, regelmäßige Workshops durchführen, Feedback-Schleifen etablieren |
| Komplexe Schnittstellen zu Drittsystemen | Schnittstellen frühzeitig identifizieren und dokumentieren, Testumgebung für Integration aufbauen, API-Kompatibilität prüfen |
| Unzureichende Schulung der Mitarbeiter | Rollenbasierte Schulungskonzepte entwickeln, Schulungen vor Go-Live abschließen, Schulungsmaterialien bereitstellen |
| Fehlende Change-Management-Strategie | Kommunikationsplan erstellen, Bedenken ernst nehmen, Quick Wins kommunizieren, Management-Commitment sichern |
| Zu knappe Budgetplanung | Versteckte Kosten einkalkulieren, finanzielle Reserve von 15-20% einplanen, regelmäßiges Controlling durchführen |
| Ungetestete Prozesse | Ausgiebige Test- und Pilotphase einplanen, alle kritischen Geschäftsprozesse durchspielen, Fehler dokumentieren |
| Fehlende Rollback-Strategie | Vollständige Backups erstellen, Notfallplan definieren, Verantwortlichkeiten für Krisensituationen festlegen |
Fazit: ERP-Wechsel als Chance für nachhaltigen Erfolg
Ein ERP-Wechsel ist mehr als ein IT-Projekt – er ist eine strategische Weichenstellung für die Zukunft Ihres Unternehmens. Die Risiken des Stillstands überwiegen deutlich: Veraltete Systeme binden bis zu 70 Prozent Ihres IT-Budgets in reiner Wartung, blockieren Innovation und erhöhen Sicherheitsrisiken erheblich.
Mit einer strukturierten Vorgehensweise in sechs klaren Schritten – von der Bestandsaufnahme über Datenbereinigung und Systemdesign bis zu Test, Schulung und Go-Live – behalten Sie die Kontrolle über den gesamten Prozess. Entscheidend ist, typische Stolpersteine wie unklare Anforderungen oder mangelndes Change Management frühzeitig zu erkennen und durch gezielte Gegenmaßnahmen zu vermeiden.
Ein modernes ERP-System bedeutet für mittelständische Dienstleister konkrete Vorteile: effizientere Prozesse, bessere Entscheidungsgrundlagen, mobile Zugriffe und die Freiheit für neue Geschäftsmodelle. Der richtige Zeitpunkt ist dann, wenn Sie die Warnsignale erkennen – nicht erst, wenn das alte System endgültig versagt. Mit realistischer Planung wird die Migration vom Risiko zur Chance für digitale Transformation und nachhaltiges Wachstum.
