Nicht jeder Mitarbeiter bricht in Jubelschreie aus, wenn er plötzlich keinen festen Schreibtisch mehr hat und sich seine Arbeitszeit flexibel einteilen soll oder er sich gar ins Home Office „abgeschoben“ fühlt. Wenn die Stechuhr einer mobilen Zeiterfassung weicht, die der Mitarbeiter in Eigenverantwortung ausfüllen muss. Oder wenn sich Projektteams plötzlich selbst organisieren müssen und kein Vorgesetzter die einzelnen Schritte und Aufgaben verteilt.
Arbeitsplatz und Arbeitszeit werden flexibel
Mit solchen Veränderungen, die neue Arbeit mit sich bringt, geht zunächst ein Stück Vertrautheit und Gewohnheit verloren, das Mitarbeitern auch Halt gibt. Gleichzeitig steigern flexible Formen der Arbeitsplatz- und Arbeitszeitgestaltung auch die Attraktivität eines Unternehmens. Denn sie erhöhen das Maß an Selbstbestimmung und Freiheit und verbessern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Gerade für Unternehmen, die unter dem Fachkräftemangel leiden, können flexible Konzepte der Arbeitsplatz- und Arbeitszeitgestaltung positive Anreize schaffen. Oft finden sie sich etwa in Stellenanzeigen wieder. Nicht selten werden sie auch von den Bewerbern gefordert: „Flexible Arbeitszeiten haben in vielen Gesprächen einen hohen Stellenwert“, so Frank Schabel vom Personalvermittler Hays.
Arbeit 4.0 = Wandel der Unternehmenskultur
Fakt ist: Neue Arbeit ist auch immer mit einem Kulturwandel verbunden. Daher sehen auch rund 62 Prozent der befragten Mitarbeiter laut Sipgate-Studie eine Veränderung der Unternehmenskultur als einen wichtigen Bestandteil von New Work.
Auf dem Cloud Unternehmertag 2018 der Scopevisio AG haben wir mit Ulrike Lüneburg von der Siegwerk Druckfarben AG & Co. KGaA über das Thema „Neues Arbeiten“ gesprochen. Als Director Human Resources Germany der Siegwerk Druckfarben AG & Co. KGaA berichtet sie insbesondere über die Auswirkungen auf den Personalbereich und darüber, wie auch erfolgreiche Traditionsunternehmen es schaffen können, ihre Mitarbeiter bei diesem Thema mitzunehmen. Die Digitalsierung fordert Mitarbeiter und Führungskräfte gleichermaßen heraus. So müssen die Mitarbeiter offen sein für Veränderungen, Führungskräfte im Gegenzug müssen den Mitarbeiter Raum lassen, auch Neues auszuprobieren.
Raumgestaltung
Der Wandel äußert sich manchmal auch sichtbar in einer neuen Architektur, Büro- und Raumgestaltung, zum Beispiel durch Open Spaces und interaktive Meeting-Räume. Den oftmals mit persönlichen Dingen überfrachteten Schreibtischen weichen leere und klare Arbeitsplätze, die nur über die notwendigen technischen Anschlüsse für Laptop, Tablet und Smartphone verfügen. Ebenso verstärkt zum Einsatz kommen auch Stehpulte, die mehr körperliche Abwechslung in den Büroalltag bringen und damit die Gesundheit fördern.
Rückzugsmöglichkeiten
Die Bürogestaltung für neue Arbeitsplatzkonzepte zeichnet sich auch durch Rückzugsmöglichkeiten und „Relaxing-Areas“ ebenso wie Kreativ-Spots aus. Denn neue Arbeit soll ja auch Innovation fördern. Sie kennen sicher die Bilder der hippen Bürolandschaften von Konzernen wie Google, Microsoft oder der Telekom, die zusätzlich mit Wohlfühl- und Wellnessangeboten locken. Manche Firmen beschäftigen sogar Feelgood-Manager.
Inwieweit Mitarbeiter bespaßt werden sollen oder wollen – daran scheiden sich die Geister. Dass aber das Wohlbefinden am Arbeitsplatz Auswirkungen auf die Arbeitsleistung hat, ist unbestritten.
Dabei geht es in erster Linie um ein positives soziales und physisches Arbeitsumfeld. Ob dazu immer ein Kicker aufgestellt werden muss, ist fraglich. Allerdings fallen gestalterische Lieblosigkeit und billige Materialien bei Mitarbeitern durchaus negativ auf – denn Räume senden immer auch Botschaften aus.
Kleine, aber durchaus teamfördernde Mittel dagegen sind zum Beispiel Bereiche, die auch als Meeting-, Kommunikations- und Relax-Zonen genutzt werden können.
Arbeit und Freizeit verschwimmen
Allerdings gibt es dazu auch kritische Stimmen. So warnen Burn-out-Experten davor, die Grenzen zwischen Beruf und Freizeit allzu sehr verschwimmen zu lassen. Denn Überlastung ist unweigerlich vorprogrammiert, wenn Mitarbeiter Tag und Nacht im Büro verbringen – auch wenn dort zwischendurch am Tischfußball Kicker gespielt wird.
Der ehemalige Personalmanager und jetzige Beststellerautor Reinhard Sprenger etwa („Mythos Motivation“), hält Massagesessel und Tischfußball für „Wohlfühlklimbim“ und bezweifelt, dass echte Motivation von außen stimuliert werden kann.
Weniger Kontrolle, mehr Vertrauen
Auf den ersten Blick weniger sichtbar, aber ebenso wichtig: Neue Arbeit nimmt auch Einfluss auf die Führungskultur. Etwa, wenn der Chef plötzlich nicht mehr in seinem Chefsessel, sondern am Schreibtisch nebenan sitzt.
Wenn klassische Organisationsformen in Unternehmen wie Linien- oder Matrixorganisationen zugunsten von agilen Strukturen und Arbeitsweisen aufgebrochen werden.
Wenn die Kontrolle abnimmt und das Vertrauen steigt, wirkt sich das automatisch meist auch auf die Erwartungshaltung aus. Hier entsteht dann leicht ein Dilemma: Und zwar, wenn, Mitarbeiter einerseits die Grundbedingungen ihrer Arbeit – das Wie, Wann, Wo und Warum – (mit-)bestimmen und andererseits die Geschäftsführung zunehmend Kreativität im Job und (faktisch) ständige Verfügbarkeit und Vernetzung fordert.
Manch einer fühlt sich da zu sehr gefordert und zu schlecht geführt. In solchen Fällen kann das Modell der flachen Hierarchien und selbstorganisierenden Teams eine Lösung sein. Diese bringen Fordern und Fördern in Einklang.
Wandel der Unternehmenskultur begleiten
Wie können Sie also den Kulturwandel am besten begleiten? Indem Sie und Ihre Mitarbeiter ihn gemeinsam begehen – durch eine offene Kommunikation und Partizipation.
Je besser alle Betroffenen über Veränderungen informiert und mit in die Entscheidungen einbezogen werden, desto leichter fällt die Umstellung. Lenen Sie durch Mitarbeiterbefragungen, Projektteams, das Intranet und Newsletter die Wünsche Ihrer Mitarbeiter kennen und berücksichtigen Sie diese. Außerdem sollten die Mitarbeiter ständig über den aktuellen Stand der Umsetzung informiert werden.
Fazit
Flexible Arbeitsmodelle und autonome Teams funktionieren nur, wenn sich auch die Unternehmenskultur wandelt. Chefs müssen sich von der traditionellen Linienorganisation verabschieden. Hierarchien werden eingeebnet. Der einzelne Mitarbeiter erhält mehr Verantwortung und Gestaltungspielraum.
Ein solch tiefgreifender Wandel ist nur möglich, wenn alle an einem Strang ziehen. Daher ist es eminent wichtig, die Mitarbeiter mit ins Boot zu nehmen und gemeinsam auf Augenhöhe zu entscheiden, wie das „Neue Arbeiten“ angepackt werden soll.